"die strenge Lehrmeisterin"

 

Die bis jetzt größte „hündische“ Herausforderung kam am 27. Februar 2009 zu mir! MALICA! Eine bosnische Straßenmischung, eine zarte schwarz-braune kniehohe Hündin mit einem weißen Bruststreifen, rehbraunen Augen und lustigen „Würschtl-Ohren“. Die Beschreibung klingt ja nett – aber dahinter hat sich eine kleine Furie verborgen.

Sie war an eine Frau vermittelt worden, die nach ein paar Tagen w.o. gegeben hatte, weil dieser Hund sie so sehr stresste und sie nicht mit ihr zurechtkam. Ich sollte dann – eben in meiner Funktion als Hundetrainer für Animalcare – herausfinden, ob man diesen Hund vermittelbar machen könnte.

Korrektes Leinegehen war natürlich völlig unbekannt, alles, was sich bewegt hat, wurde mit aufgestellter Bürste und ausgesprochen lautstark in die Flucht geschlagen, und die Schwanzspitze eine Hundes in 200m Entfernung hat Stress ohne Ende und völliges Ausrasten an der Leine ausgelöst. Alleine bleiben quittierte sie mit Bellen und Heulen mit großer Ausdauer, Zerstörungswut und Urinieren in Massen!

„Mizzi“, wie ich sie dann genannt habe, zeichnete sich auch durch besonders große Unruhe aus. Überall wo ich mit ihr hinkam, wurden die Leute nervös, weil sie so eine nervige Ausstrahlung hatte – ständiges herumspringen, überall hineinbeißen (und zwar wirklich überall: Leine, Kleidung, Hände, Füße, ... einfach alles, was sie erwischen konnte) und sie konnte einfach nicht ruhig liegen.

Sie ist im Grunde eine extrem unsichere Hündin, ständig aufmerksam um sich zeitgerecht verteidigen zu können – ihre Strategie dürfte die Vorbeugung gewesen sein – sie hat schon von weitem Theater gemacht, damit nur ja niemand zu nahe kam. Mit Erfolg!!!

Es hat, mit meinem damaligen Wissensstand, 2 Monate gedauert, bis sie mir erstmals in einer für sie heiklen Situation den Vortritt überlassen hat. Bis dahin hat sie sich in jeder Situation gegen meine Führung gewehrt - mit Zähnen und Krallen!!!

Wir hatten wirklich keine leichte Zeit miteinander – das beruhte sicher auf Gegenseitigkeit!

Doch durch Mizzi wurde ich gezwungen, neue Wege zu beschreiten, weil mein 08/15 Hundewissen für diesen speziellen Hund einfach nicht mehr ausgereicht hat. Wir kamen innerhalb von 3 Monaten bis zu einem gewissen Punkt (alleine bleiben, korrektes Leinegehen, abgeschwächtes Theater bei anderen Hunden, Menschen meistens kein Problem), aber von einem entspannten Hund waren wir noch weit entfernt.

Wir besuchten ziemlich zu Beginn unseres Zusammenlebens (Mitte März 2009) einen Tellington-TTOUCH-Kurs, um diesen Hund wenigstens einmal angreifen zu können (sie ließ mich nur vom Kopf bis zur Schulter an sie heran, alles dahinter quittierte sie mit ziemlich unsensiblem Dentalkontakt!).  

Nach diesem Kurs sah ich Mizzi das erste mal ruhig und zufrieden in ihrem Körbchen liegen – süß sah sie aus. Da konnte ich sie mir zum ersten mal in Ruhe ansehen, ohne mir ihre Zähne vom Leib halten zu müssen. Das war auch das erste Mal, dass ich mir vorstellen konnte, diesen Hund IRGENDWANN EINMAL lieb haben zu können. Jedoch hat sie mir dieses Vorhaben nicht wirklich einfach gemacht! 

 

Sie gab mir immer das Gefühl, mich nicht ganz an sie heran zu lassen – sie wirkte extrem verunsichert, zeigte mir aber in entspannten und beinahe harmonischen Momenten, dass sie ein hohes Maß an Feinfühligkeit in sich trägt, die sie aber in Stresssituationen äußerst gut verbergen konnte – hinter eine Fassade aus scheinbarer Aggressivität und maßloser Selbstüberschätzung!

Im Spätsommer 2009 besuchte ich dann ein Seminar bei einem Schweizer Hundetrainer, der mir und ihr dabei half, diese Fassade ablegen zu können und sich mir bereitwillig anzuschließen. 

Innerhalb weniger Wochen machten wir sehr große Fortschritte und die Spaziergänge begannen schön langsam Spaß zu machen.

Wir beide haben uns dann mit dieser Methode sehr intensiv beschäftigt, aber noch viel wichtiger war es, der inneren Einstellung wesentlich mehr Bedeutung zu schenken. Besonders bei so extrem feinfühligen Hunden wie Mizzi, ist es wichtig, dass man sich jeder Zeit seiner Gedanken bewusst ist und in jeder Situation ruhig und besonnen, aber unmissverständlich handelt.

Ihre Feinfühligkeit konnte sie auch als wertvolle Assistentin bei meinem ursprünglichen Beruf unter Beweis stellen. Einer meiner Patienten wollte meine Hunde kennenlernen und ich brachte mit etwas mulmigem Gefühl meinen Wirbelwind mit zur Therapie. Es war die größte Überraschung für mich, dass es für Mizzi beinahe selbstverständlich war, sich zu meinem Patienten in´s Bett zu legen, sich von ihm umarmen und streicheln zu lassen, sie wurde von dem Moment an ein wertvoller Bestandteil der Therapie, da sie mit ihrem ruhigen, anschmiegsamen Verhalten sehr viel an Emotionen und Freude in meinem Patienten weckte.

Heute kann ich über Mizzi sagen, dass sie sehr große Fortschritte gemacht hat, dass sie bisher mein strengster und herausfordernster Lehrmeister in Sachen Hundeerziehung und Beziehungsaufbau war, aber wir beide noch nicht am Ziel angelangt sind – was unser Zusammenleben immer spannend und aufregend macht. Wir wachsen und lernen aneinander und es ist faszinierend wie viel man durch seinen Hund über sich selbst erfahren kann und wie man gezwungen wird, an sich zu arbeiten, damit der Hund lernen kann.

Seit Anfang 2012 haben Mizzi und ich die bisher spannendste, aufregendste, fordernste und für Mensch und Hund anstrengendste gemeinsame Beschäftigung zu unserem Hobby gemacht: Mantrailing!

Dank unserer ausgezeichneten Trainerin Ulli Kellner sind wir ganz stark mit dem Mantrail-Virus infiziert und bemühen uns 2-4x pro Woche unser Wissen und unser Können zu vertiefen um vielleicht irgendwann mal Einsatzreife zu erlangen und tatsächlich vermisste Personen zu finden.

Diese einzigartige Beschäftigung und ein paar Geschichten dazu finden sich aber im Menüpunkt „Mantrailing“ wieder!

Auch Mizzi bin ich unendlich dankbar, dass sie in mein Leben gesprungen ist („getreten“ wäre untertrieben!), denn sie hat mir so viel gezeigt und mich Dinge gelehrt, die ich mit Vinci nie erfahren hätte.

 „DANKE MEIN LIEBES MIZZAL!!!“

 

 

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